Politik | 02. November 2017

Die Zukunft der Tierhaltung im Diskurs

Von AgE
Der Deutsche Bauernverband (DBV) sucht den öffentlichen Diskurs über die Zukunft der Nutztierhaltung. Beim Tagesspiegel-Fachforum Landwirtschaft am 25. Oktober betonte Vizepräsident Werner Schwarz die Dialogbereitschaft der Tierhalter.
Die Bereitschaft zum Umbau der Tierhaltung ist da – doch wer bezahlt ihn? Die Verbraucher an der Ladentheke nur begrenzt, wie seit vielen Jahren belegt.
Es gehe darum, den Weg der Veränderungen weiterzugehen und im Einklang mit gesellschaftlichen Vorstellungen vorhandene Herausforderungen und Zielkonflikte zu lösen. Dazu gehöre auch „der ehrliche und offene Dialog mit den Kritikern der modernen Nutztierhaltung”. Greenpeace-Agrarreferent Martin Hofstetter forderte eine Abkehr der Tierhaltung von ihrer bisherigen Ausrichtung auf internationale Märkte und eine konsequente Orientierung an nationalen und europäischen Qualitätsmärkten. Hofstetter bezeichnete grundlegende Änderungen in der Tierhaltung als sicher, unabhängig von der politischen Couleur des künftigen Bundeslandwirtschaftsministers.
Mehr Realismus gefordert
Mehr Realismus in der Debatte um einen Umbau der Nutztierhaltung in Deutschland empfahl der Präsident des Thünen-Instituts (TI), Professor Folkhard Isermeyer. „Der Markt wird das Problem nicht lösen”, sagte der Agrarökonom. Einen wirklichen Kurswechsel in der nationalen Tierhaltung kann dem Wissenschaftler zufolge allein die Politik herbeiführen. Notwendig sei eine neue Finanzarchitektur mit einer Abgabe auf Milch- und Fleischprodukte. Mit diesem Geld könnten Landwirte bezahlt werden, um die betrieblichen Mehrkosten einer artgerechteren Tierhaltung zu decken.
Im internationalen Wettbewerb setzen sich Isermeyer zufolge Produktionssysteme in der Tierhaltung durch, die den Vorstellungen der hiesigen Bevölkerung nicht mehr entsprechen. Eine überwiegende Mehrheit der Deutschen sei laut Umfragen der Auffassung, „dass wir mit Tieren anders umgehen sollten, als das im Billigsegment des Marktes heute der Fall ist”. Isermeyer wies darauf hin, dass sich diese Haltung nur begrenzt im Einkaufsverhalten niederschlage. Den Anteil der Verbraucher, die offen seien für besonders tierwohlgerecht erzeugte und damit höherpreisige Produkte, veranschlagten wissenschaftliche Untersuchungen auf nicht mehr als 30 Prozent. Daran würden auch starke Appelle aller Voraussicht nach nichts ändern.
„Eine Entwicklung, die allein dem Markt überlassen bleibt, wird nicht zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung führen”, schließt der Thünen-Präsident daraus. Unumgänglich für eine Neuausrichtung der Tierhaltung sei daher eine politische Lösung mit einem staatlichen Finanztransfer als Kernelement. Dessen Volumen beziffert Isermeyer mit mindestens einer Milliarde Euro im Jahr und damit dem Zehnfachen des Etats der Initiative Tierwohl.