In Ostdeutschland wächst der Widerstand gegen Pläne, bei den Direktzahlungen der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) die ersten Hektare noch stärker zu fördern. Eine „enorme Umverteilung von Ost- nach Süddeutschland” wird befürchtet.
Andere Strukturen – andere Denke: In Ostdeutschland (Bild: Mecklenburg-Vorpommern) hält man nichts von einer noch stärkeren Förderung der ersten Hektare. Mittelabfluss in den kleinstrukturierten Süden und in den Nebenerwerb ist unerwünscht. Der BLHV sieht das naturgemäß anders.
Auf dem agrarpolitischen Forum der Mitteldeutschen Bauernverbände am 4. Mai in Leipzig warnte Thüringens Landwirtschaftsministerin Birgit Keller davor, die ostdeutschen Strukturen zu gefährden. Eine Änderung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) zu Lasten der Landwirtschaft in den neuen Ländern dürfe es nicht geben, so die Linken-Politikerin.
Auch Sachsen-Anhalts grüner Agrarstaatssekretär Ralf-Peter Weber erteilte einer weiteren Fokussierung der Förderung auf die ersten Hektare eine Absage. Dies käme seiner Auffassung nach vornehmlich westdeutschen Nebenerwerbsbetrieben zugute, entzöge jedoch den Betrieben in den neuen Ländern dringend benötigte Mittel. Weber sprach sich für eine Erhaltung der Ersten Säule aus und begründete das mit deren hoher Einkommenswirksamkeit. Allerdings müsse das Greening verstärkt und vollständig an die Zahlungen gekoppelt werden. „Hände weg von der Ersten Säule”, mahnte auch der Präsident des Sächsischen Landesbauernverbandes (SLB), Wolfgang Vogel. Die 1992 eingeführte Kompensation für Preissenkungen habe weiter uneingeschränkt ihre Berechtigung. Als „politische Spielerei” betrachtet Vogel Pläne für eine weitere Umverteilung innerhalb der Ersten Säule zugunsten der ersten Hektare. Dem müsse und werde man entschieden entgegentreten.
„Auf weniger Geld einstellen”
Die agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion im
Bundestag, Kirsten Tackmann, kritisierte eine höhere Förderung der
ersten Hektare als eine „enorme Umverteilung von Ost- nach
Süddeutschland”. Skeptisch äußerte sich die brandenburgische Abgeordnete
auch zu einer weiteren Mittelumschichtung von der Ersten in die Zweite
Säule. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Kees de Vries kündigte an, er werde sich
gegen eine zusätzliche Stärkung der ersten Hektare noch in dieser
Förderperiode einsetzen. Er räumte aber ein, dass es in seiner Fraktion
unterschiedliche Auffassungen in dieser Frage gebe. De Vries sprach sich
dafür aus, die Mittel der Zweiten Säule künftig stärker als bisher für
die Landwirtschaft zu sichern. Der CDU-Politiker mahnte zugleich zu
einer realistischen Sichtweise auf den Gestaltungsspielraum für die
künftige GAP. Angesichts der zu erwartenden finanziellen Folgen des
Brexits werde es ein Weiter-so in der Agrarpolitik nicht geben können.
„Wir müssen uns auf spürbar weniger Geld einstellen”, so de Vries.
Die Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft für Landwirtschaft und
ländliche Entwicklung der Grünen, Gisela Sengl, bekannte sich mit
Nachdruck zum Prinzip „öffentliches Geld für öffentliche Leistungen”. Es
gehe darum, in Zukunft Leistungen der Landwirtschaft im Umwelt-, Klima-
und Tierschutz aus den EU-Mitteln zu finanzieren. Dafür sei eine
schrittweise Stärkung der Zweiten Säule unerlässlich. Zustimmung
signalisierte die bayerische Landtagsabgeordnete gegenüber einer
zusätzlichen Stärkung der ersten Hektare. Es müsse alles unternommen
werden, die gegenwärtige Zahl der Landwirte zu halten. Dazu zählten im
Übrigen auch Nebenerwerbslandwirte, so Sengl in Anspielung auf ihren
Parteikollegen Weber.
Für die Liberalen warnte der agrarpolitische Sprecher der
niedersächsischen FDP-Landtagsfraktion, Hermann Grupe, davor, die Erste
Säule in Frage zu stellen. Die Direktzahlungen seien „eine Entlohnung
für Leistungen”,
sagte der FDP-Politiker. Grupe plädierte für eine moderne, innovative
Landwirtschaft, der verlässliche Rahmenbedingungen gewährt werden
müssten. Unerlässlich sei eine strikte Fachlichkeit, wenn es um
zusätzliche Anforderungen an die Landwirte im Umweltschutz gehe.