Betrieb und Wirtschaft | 31. Juli 2014

Bürgermeister befürchten Chaos

Von Heinrich von Kobylinski
Die bisherige Einheitsforstverwaltung in Baden-Württemberg soll zerschlagen werden. Das laufende Verfahren des Bundeskartellamtes gegen den gemeinschaftlichen Holzverkauf auf Landesebene hat das Ministerium Ländlicher Raum in Zugzwang gebracht. Was bedeutet das für die Waldbesitzer?
Schon Ende September müssen die Eckpunkte über die Struktur einer neuen Forstverwaltung stehen.  Das erarbeitete Programm wird dann als  Verpflichtungszusage der Kartellbehörde vorgelegt. Das gab Landesforstpräsident Max Reger vergangene Woche  bei einer Tagung vor 140 Bürgermeistern und Vertretern von  Gemeinden bekannt, die sich in der Forsthochschule Rottenburg trafen. 
Die Bürgermeister hatten in Rottenburg einige Fragen.

Die Landesregierung favorisiert für die Zeit ab 2017 ein Modell, wonach der Staatsforst isoliert von den übrigen Waldbesitzarten geführt wird.   Es ist vor allem die markt- und absatzbetonte Betrachtungsweise durch das Kartellamt  und die kritisierte Verknüpfung mit bestimmten Serviceleistungen wie dem Holzauszeichnen, die zu den Änderungen führt.
 Nach Darstellung von  Reger engte das Kartellamt den Spielraum für die Forstbehörde zunehmend ein: Ende Juni  kam nun die Präzisierung, dass für Waldbesitzer künftig sowohl beim Holzverkauf als auch bei sämtlichen forstlichen Dienstleistungen eine freie Wahl bestehen müsse, ob sie  künftig in Eigenregie handeln können oder gemeinschaftlich mit anderen. Ihnen soll auch offen bleiben, ob sie  per Dienstleistung von Dritten betreut werden wollen, das heißt von privatwirtschaftlichen Unternehmern.
Das Kartellamt stellte  auch klar, dass die forsttechnische Betriebsleitung im Körperschaftswald und die Forsteinrichtung nicht mehr wie bisher ausschließlich Ländersache und damit eine Sache der Unteren Forstbehörde (Landratsamt) bleiben darf. Deshalb müsse auch das Landeswaldgesetz geändert werden. 
 Die Gebührenhöhe für die Dienstleistungen müsse sich künftig nach den tatsächlichen Kosten richten. Vor allem aber dürfe ihre Höhe nicht mehr vom Land bestimmt werden, sondern  vom Markt. Damit müssen auch die  Landkreise und Kommunen ihr bestehendes Dienstleistungsangebot für den   Körperschaftswald ändern. Der  Privatwald ist davon ebenfalls betroffen. Kreise und Kommunen werden Konkurrenz bekommen von anderen Kommunen oder Zweckverbänden, aber auch von privaten Dienstleistungsanbietern und  von Forstbetriebsgemeinschaften.
Obergrenze 15 Prozent
Landkreisgrenzen werden an Bedeutung verlieren, das Kartellamt  zieht bei gebündelten Holzangeboten eine großzügige Obergrenze, die bis zu  15 Prozent des landesweiten Aufkommens betragen darf.  Das Kartellamt  hat  bestimmt, dass es zur Aufgabe des Landes gehört, über das Landeswaldgesetz die Qualitätsstandards für  forstliche Dienstleistungen zu setzen. 
Insgesamt folgt daraus, dass ab 2017 bei den Unteren Forstbehörden nur noch hoheitliche Funktionen verbleiben, wie beispielsweise Qualitätsüberwachung  und Holzeinschlagskontrolle. Die Kommunen oder deren Zweckverbände werden voraussichtlich eigene Förster einstellen oder künftig wie der Privatwald einen Dienstleistungsförster engagieren. Sie  können die Forstarbeit auch einer Forstbetriebsgemeinschaft  übergeben. 
Fortan würde also ein Trennungsstrich gezogen zwischen der Dienstleistungsfunktion und der Hoheitsfunktion. Unter diesen Voraussetzungen befürchten die   Bürgermeister einen neuen Fleckenteppich, chaotische Zustände und einen Rückgang bei Beratung und Waldpflege, wurde in Rottenburg deutlich. Schließlich  zweifelten sie an der künftigen Freiheit der Kommunen gegenüber ihren Landkreisen. 
"Nur ein Haufen ungesäger Bretter"
Volker Derbogen, Erster Bürgermeister der  waldreichen Gemeinde Rottenburg, verwies auf den bisherigen Dreiklang bei den Waldfunktionen und forderte, dass neben der Nutzfunktion die Schutz- und Erholungsfunktion gleichrangig fortbestehen müsse. „Für das Kartellamt ist der Wald nicht mehr als ein
Haufen ungesägter Bretter”, schimpfte er. 
Jerg Hilt, Geschäftsführer der  Forstkammer Baden-Württemberg, fragte nach  Konsequenzen für die Privateigentümer.  „Wir stehen vor tiefgreifenden Veränderungen”, antwortete Max Reger. Es sei  noch völlig unklar, ob Kommunen ihren Dienstleistungsbedarf künftig übertragen können oder ihn öffentlich ausschreiben müssen, eine Frage, die sowohl für Unternehmer als auch für Forstbetriebsgemeinschaften bedeutsam sei. Vor allem  müsse das Verhältnis zwischen Landkreis und Privatwaldbesitzern rechtlich aufgearbeitet werden, zusammen mit der Vergütungsfrage.
Wegen der steigenden Gebühren  hofft Reger  zumindest auf eine Teilkompensation in Form einer direkten Landesförderung für die Waldeigentümer. Dazu müsse überlegt werden, wie mit MEPL-Fördermitteln im Privatwald zielgerichtet weitere Zusammenschlüsse gefördert werden könnten. Für Kommunen  seien  weitere Mittel  unwahrscheinlich.   
Kann man sich wehren?
 Einige Bürgermeister verwiesen in Rottenburg auf  Einspruchsmöglichkeiten des Landes Baden-Württemberg gegenüber dem Kartellamt als Bundesbehörde. Landesforstpräsident Max Reger  hält den Klageweg für wenig aussichtsreich. Einzig der Einspruch und eine Gesetzesinitiative auf dem Weg über den Bundesrat sei machbar. Gemessen an den vom Kartellamt geforderten Umstellungsterminen aber komme diese Möglichkeit für Baden-Württemberg zu spät. In Ländern wie Rheinland-Pfalz allerdings werde dieser Ansatz ernsthaft erwogen. Die  Reformforderungen der Kartellbehörde betreffen auch  Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.