Pflanzenbau | 01. März 2018

Botrytis schon oft resistent gegen Fungizide

Von Dr. Sebastian Messerschmid
Fungizide wirken gegen Botrytis häufig nicht mehr. Der Anbau von Beerenobst ist davon deutlich stärker betroffen als der Weinbau. Professor Matthias Hahn von der Technischen Universität Kaiserslautern nahm auf der diesjährigen Weinsberger Weinbautagung die Botrytisresistenzen unter die Lupe.
Gegen Botrytis an Himbeeren wirken wichtige Fungizide schon nicht mehr.
Botrytis sei eine Gefahr für viele Kulturen, ein „High-Risk-Organismus” bezüglich Fungizidresistenzen. Wie entstehen diese? „Resistenzen werden durch Mutationen – das sind zufällige Veränderungen der Erbsubstanz DNA – verursacht”, erklärt Hahn. Zum Beispiel entstehe durch eine Punktmutation eines bestimmten Gens ein verändertes Protein, das bestimmte, in Fungiziden enthaltene Inhibitoren nicht mehr binde.
„Die wesentliche Triebkraft für die Entwicklung von Resistenzen ist die Selektion”, sagt der Forscher. „Durch dauernde Behandlungen mit demselben Wirkstoff verschwinden von Mal zu Mal mehr empfindliche Individuen einer Ausgangspopulation, die resistenten nehmen dagegen zu, bis schließlich die neue selektierte Population fast nur noch aus resistenten Stämmen besteht.”
Faktoren, welche die Resistenzbildung wesentlich beeinflussen, seien
  • Eigenschaften und Wirkmechanismen des Fungizids,
  • Häufigkeit und Art von Spritzungen,
  • Infektionsdruck – Witterung und Zahl der Erreger,
  • Anpassungsfähigkeit des Erregers – Sporenzahl, Generationen pro Saison – und
  • Fitness, also die Überlebensfähigkeit des Erregers.
Pyrimethanil (Scala), Cyprodinil plus Fludioxonil (Switch), Boscalid (Cantus), Fenhexamid (Teldor) und Fenpyrazamine (Prolectus) sind im Wesentlichen die im Weinbau gegen Botrytis zugelassenen fungiziden Wirkstoffe. Hahn verdeutlichte, dass diese Substanzen unterschiedliche Wirkmechanismen aufwiesen.
Fludioxonil beeinflusst die Osmoregulation, Cyprodinil und Pyrimethanil die Aminosäure-Biosynthese, Boscalid wirkt auf die Atmung, während   Fenhexamid und Fenpyrazamine die Membran-Biosynthese des Pilzes beeinträchtigen.
Mehr Resistenzen im Obst- als im Weinbau
„Weinreben erhalten in der Regel ein bis höchstens zwei Spritzungen gegen Botrytis, Erdbeeren vier bis über sechs”, machte  Hahn in Weinsberg deutlich. „Das ist wohl der wichtigste Grund, weshalb Botrytis-Resistenzen gegen Fungizide im Erdbeeranbau weiter verbreitet sind als im Weinbau.”
Ähnlich wie bei Erdbeeren sei die Situation auch im Himbeeranbau. Hahn beschreibt den Anstieg der Resistenzen in einem Himbeerfeld von 2010 bis 2015: Während anfangs noch alle zugelassenen Wirkstoffklassen gut oder mindestens ordentlich wirkten, hatten 2015 alle ihre Wirksamkeit komplett oder teilweise verloren. Boscalid, Cyprodinil und Strobilurine wirkten überhaupt nicht mehr. Gegen diese Wirkstoffe war der Pilz in dieser Zeit komplett resistent geworden.
Im Weinbau ist dies glücklicherweise anders: Auf den untersuchten Parzellen an der Deutschen Weinstraße blieben die Fungizidbehandlungen gegen Botrytis über die Jahre 2011 bis 2014 wirksam. Multiresistente Stämme traten nicht auf. Dies galt aber nicht für einen Weinberg bei Freiburg, der neben einem Erdbeerfeld lag. Hier ermittelte Hahn, dass die Wirksamkeit der Botrytis-Spritzungen stark beeinträchtigt war, obwohl auch hier die verschiedenen Wirkstoffklassen zum Einsatz gekommen waren. Der Forscher vermutet, dass eventuell multiresistente Stämme von der Erdbeere zur Weinrebe übertragen worden sind. 
Was können Obsterzeuger und Winzer tun, um Resistenzen möglichst lange hinauszuzögern? Hahn empfiehlt:
  • die Kulturführung zu verbessern, um Feuchtigkeit zu verringern,
  • im Obstbau exzessive Spritzfolgen zu vermeiden: maximal vier, besser nur drei Spritzungen in die Blüte setzen,
  • Wirkstoffe konsequent zu wechseln und Aufwandmengen nicht zu reduzieren,
  • im Erdbeeranbau die durch Resistenzbildung gefährdeten Fungizide unter Umständen mit Malvin WG zu kombinieren,
  • bei nachlassender Wirkung der Fungizide ein betriebsspezifisches Resistenzmonitoring durchführen zu lassen und die Spritzfolgen anzupassen,
  • biologische Pflanzenschutzmittel zu nutzen, auch wenn sie deutlich schwächer wirken als eine Anwendung wirksamer Fungizide, um diese aus der Schusslinie zu nehmen.