Die Neuzulassung des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Glyphosat hängt weiter in der Luft. Es kam in Brüssel am Donnerstag voriger Woche nicht zu einer Entscheidung der EU-Mitgliedstaaten.
Für viele Bauern, die auf reduzierte Bodenbearbeitung setzen, ist Glyphosat ein wichtiges Mittel zur Unkraufbekämpfung.
Im Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tier, Nahrungs- und Futtermittel (PAFF) sei es auch am 19. Mai erst gar nicht zu einer Abstimmung gekommen, weil zum „jetzigen Zeitpunkt” keine qualifizierte Mehrheit für den Kommissionsvorschlag für eine Verlängerung der Zulassung dieses Wirkstoffs „absehbar” gewesen sei, hieß es in Brüssel. Möglich wäre jetzt, dass sich vor Ablauf der Zulassungsfrist für den Herbizidwirkstoff Ende Juni noch einmal ein EU-Fachausschuss des heiklen Themas annimmt, oder dass die Kommission in Eigenregie entscheidet. Beides gilt in Brüssel jedoch als unwahrscheinlich.
Als vielmehr wahrscheinlich gilt, dass die Zulassung von Glyphosat abermals provisorisch um sechs oder mehr Monate verlängert wird, um Zeit zu gewinnen, im PAFF doch noch eine qualifizierte Mehrheit zu erhalten. Noch im Mai könnte der Ausschuss diesen abermaligen Zeitgewinn beschließen, hieß es am Freitag voriger Woche aus der EU-Kommission.
Haltung der SPD mitentscheidend
Bereits Ende September 2015 hatte der Ausschuss wegen
mangelnder Aussicht auf eine Einigung eine Verlängerung der geltenden
Zulassung um sechs Monate beschlossen. Das Zünglein an der Waage war am Donnerstag voriger Woche die offensichtliche Enthaltung der
Bundesregierung. Berlin hatte sich bekanntlich zunächst – unter dem
Vorbehalt restriktiverer Anwendungsbestimmungen – für ein Ja zur
Neuzulassung von Glyphosat ausgesprochen. In der vorletzten Woche hatten
sich dann aber die SPD-geführten Ministerien überraschend dazu
entschlossen, einer Zulassungsverlängerung nicht zuzustimmen (die BBZ
berichtete). Eine Vermittlung durch das Bundeskanzleramt blieb bislang
ergebnislos. Solange die SPD aber nicht auf die Linie von CDU und CSU
einschwenkt, sieht die Koalitionsvereinbarung eine Enthaltung der
Bundesregierung bei den Entscheidungen in Brüssel vor.
Bei einer Enthaltung Deutschlands und einem Nein Frankreichs sowie
weiterer EU-Länder würde eine qualifizierte Mehrheit für die Zustimmung
verfehlt. Für eine Wiederzulassung von Glyphosat müssen sich 55 Prozent
der Mitgliedstaaten aussprechen, die insgesamt 65 Prozent der
Bevölkerung repräsentieren. Der Sprecher für Umwelt, Gesundheit und
Lebensmittelsicherheit der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Dr.
Peter Liese, forderte die EU-Kommission und die Vertreter der
Landwirtschaft dazu auf, den Kritikern des umstrittenen
Pflanzenschutzmittelwirkstoffs deutlich stärker entgegenzukommen als
bisher. Ansonsten drohe ein Verbot zum 30. Juni. Gleichzeitig
bezeichnete der CDU-Gesundheitspolitiker ein aktuelles Verbot von
Glyphosat zum 30. Juni für unrealistisch. „In vielen Bereichen gibt es
keine Alternativen zu Glyphosat, es sei denn, man setzt auf den
Bioanbau”, so Liese. Er verwies auch auf die im April vom
Europaparlament mit breiter Mehrheit angenommene Resolution, die eine
zeitlich befristete Zulassung von Glyphosat für höchstens sieben Jahre
vorsehe. Die grüne Europaabgeordnete Maria Heubuch erklärte indes, sie
sei erleichtert, dass die EU-Mitgliedstaaten „diesem Geschenk an
Monsanto und Co. nicht zugestimmt haben”.
Unterdessen verwies die Monsanto nahestehende „Glyphosate Task Force”
(GTF) am Donnerstag voriger Woche abermals auf Studien, die eine mit
dem Einsatz von Glyphosat verbundene Krebsgefahr in Abrede stellen, und
übte scharfe Kritik an dem schleppenden Zulassungsverfahren.
Verlängerung bei Diskussion um Glyphosat
Mit der Verschiebung der Neuzulassung von Glyphosat durch die Europäische Union geht auch in Deutschland die Diskussion um die Risiken und den Nutzen des Wirkstoffs in die Verlängerung.
Mit Blick auf die deutliche Lagerbildung in der gesellschaftlichen und politischen Debatte hat Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt die gesundheitliche Unbedenklichkeit des Wirkstoffs hervorgehoben. Schmidt wies am 19. Mai in Berlin darauf hin, dass unabhängige Wissenschaftler in Deutschland und allen Mitgliedstaaten Glyphosat gründlich geprüft hätten und bei sachgerechter Anwendung keine Zweifel am geringen Risiko des Mittels für die menschliche Gesundheit hegten.
Schmidt betonte, dass in der aktuellen Bewertung von Glyphosat insbesondere auch die Einschätzung der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) berücksichtigt worden sei. Dabei gebe es keinen wissenschaftlichen Dissens, betonte der Minister mit Blick auf die jüngste Einschätzung des WHO-Fachgremiums „Joint Meeting of Pesticide Residues” (JMPR). Vor diesem Hintergrund fordert der Deutsche Bauernverband (DBV) eine Rückkehr zu einer faktenbasierten Debatte. Es lägen eindeutige Auswertungen von umfänglichen wissenschaftlichen Untersuchungen vor, die eine Zulassung aus gesundheitlicher Sicht auch im Sinne des Vorsorgeprinzips erlaubten. Auf dieser Basis hält der Bauernverband eine Zustimmung der Bundesregierung zur Wiederzulassung für folgerichtig. In die gleiche Kerbe schlagen der Industrieverband Agrar (IVA) sowie die Glyphosate Task Force (GTF) und die Arbeitsgemeinschaft Glyphosat (AGG).
Dessen ungeachtet erneuerten zahlreiche Öko- und Naturschutzverbände ihre grundsätzliche Kritik an Glyphosat und forderten aus Gründen des Vorsorgeprinzips die Nichtverlängerung der Zulassung. Dem schlossen sich Politiker von Bündnis 90/Die Grünen an, während von der CDU-Fraktion im Bundestag Unverständnis für die aus ihrer Sicht unsachliche Herangehensweise der anderen Fraktionen geäußert wurde.