Bauern in Deutschland haben derzeit Probleme, wo sie hinschauen. Märkte und Preise stimmen nicht, Auflagen und Bürokratie nehmen überhand. Hinzu kommt, dass sie ihre Arbeit in Politik und Medien mit ungerechtfertigten Vorwürfen belegt sehen: Die Stimmungslage zum Auftakt der Grünen Woche in Berlin war schon besser.
DBV-Präsident Joachim Rukwied
„Die Grüne Woche steht im Zeichen nicht gerade günstiger Marktperspektiven für die Landwirtschaft”, bekannte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Joachim Rukwied, bei der Fragestunde des Verbandes Deutscher Agrarjournalisten (VDAJ) vor dem Beginn der Messe. Als Beleg für die ungünstige Situation zog er das jüngste Konjukturbarometer Agrar heran, nach dem die Stimmung der Bauern erneut gesunken ist und die Investitionsbereitschaft für das erste Halbjahr 2015 drastisch – um ein Viertel – zurückgeht.
Rukwied fordert mehr Fairness
Gründe dafür sieht Rukwied nicht nur in der
unbefriedigenden Marktlage, sondern auch in der Politik, die
„unternehmerische Spielräume sukzessive einschränkt”. Als jüngstes
Beispiel nannte er die Novelle der Düngeverordnung, die, so Rukwied, „dringend überarbeitet werden muss”. Als wichtiges Anliegen bezeichnete
Rukwied bei der Eröffnung der Grünen Woche auch das öffentliche Bild der
Landwirtschaft in Deutschland. Der DBV-Präsident beklagte einen
schroffer gewordenen Ton in Teilen von Politik und Öffentlichkeit
gegenüber der Landwirtschaft und „Stimmungsmache gegen redliche
Bauernfamilien”. Rukwied forderte mehr Fairness in der Debatte über die
Zukunft der Landwirtschaft.
Chancen im Wettbewerb
Fortgesetzte
öffentliche Anklagen mit Begriffen wie „industrielle Landwirtschaft”,
„Massentierhaltung” und „Doping im Stall” und falschen Behauptungen dazu
seien nicht förderlich, junge Landwirte für Zukunftsinvestitionen in
moderne Landwirtschaft und Tierhaltung zu gewinnen. Trotz aller
aktuellen Probleme betonte Joachim Rukwied bei mehrfacher Gelegenheit
auf der Grünen Woche in Berlin, dass der DBV auf die Zukunft der
Landwirtschaft in Deutschland setzt. Der Bedarf an Lebensmitteln werde
steigen, auch im Bereich höherer Qualität. „Wir sehen hier Chancen, im
Wettbewerb zu bestehen”, betonte der Präsident. Als wichtige Faktoren
hierfür nannte er Kosten- und Ertragseffizienz sowie den
ordnungspolitischen Rahmen.
Schmidt: GAP nicht in Sackgasse fahren
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt thematisierte vor
Journalisten in Berlin die Europäische Agrarpolitik (GAP) und „die
Gefahr, dass sie in eine Sackgasse führt”. Er meinte damit vor allem die
Zunahme komplexer, schwer durchschaubarer Regelungen, so im
Zusammenhang mit Greening. „Die Anforderungen werden derart detailliert
exekutiert, dass wir das Ziel aus den Augen verlieren. Das birgt die
Gefahr, dass das mehr der Bürokratie hilft als der Umwelt.” Die
Initiative von EU-Kommissar Phil Hogan zum Bürokratieabbau sei daher
sehr zu begrüßen und zu unterstützen, betonte der Minister.
Angesprochen
auf seine umstrittenen Äußerungen zu regionalen Spezialitäten in
Zusammenhang mit dem angestrebten Freihandelsabkommen zwischen der EU
und den USA (TTIP), erklärte er, dass er lediglich das Zuviel an
Produktlabels im Visier habe. „Viele dienen nicht der Klarheit, sondern
sind lediglich Phantasiebezeichnungen”, betonte Schmidt. Wie Rukwied
wandte sich Christian Schmidt in Berlin gegen pauschale
Schuldzuweisungen an die Landwirtschaft und überspitzte Parolen.
Vielmehr müsse man sich sachlich über die Anforderungen an die
Landwirtschaft auseinandersetzen. Beispielhaft nannte er den Begriff
„Massentierhaltung”, der Thema und Schlagwort zugleich sei. „Es geht
nicht nur um Bestandsgrößen, sondern darum, wie es den Beständen geht”,
betonte Schmidt. Hier sei die Realität heute besser als vor Jahrzehnten.
Gleichwohl sieht er die Grenzen des Vertretbaren bei „Mega-Ställen”
überschritten. Hier seien Tierbestände nicht mehr überblickbar und
betreubar.
Premiere für den Kommissar
Phil Hogan, der neue EU-Agrarkommissar aus Irland.
Für Phil Hogan, den neuen
EU-Agrarkommissar, war der Besuch auf der Grünen Woche ein Premiere. Sie
gefiel ihm sichtlich. Er unterstrich erneut, dass ihm die
Vereinfachung der Regelungen der EU-Agrarpolitik ein wichtiges Anliegen
sei, das er zusammen mit den Mitgliedsstaaten angehen wolle (siehe Seite
9). Er bekannte sich auch zu TTIP, betonte dabei jedoch, dass er keine
EU-Standards opfern werde, „weder auf dem Altar dieses noch anderer
Handelsabkommen”.
Premiere: Zwei „Satt”-Demos zur Grünen Woche in Berlin
"Wir machen euch Satt"-Demo der Landwirte bei der Grünen Woche
Bereits zum fünften Mal gab es anlässlich der Grünen Woche am vergangenen Samstag in Berlin die Demonstration „Wir haben es satt". Rund 80 Organisationen und Verbände von Bauern, Verbrauchern sowie aus den Bereichen Tier- und Umweltschutz haben diesmal vor allem zum Protest gegen Massentierhaltung, Gentechnik und das geplante Freihandelsabkommen TTIP der EU mit den USA aufgerufen. Veranstalterangaben zufolge kamen am Mittag 50 000 Menschen (laut Polizeiangaben 25 000) zum Protestzug an den Potsdamer Platz. Im vorigen Jahr meldeten die Veranstalter 30 000 Teilnehmer.
„Wir machen euch satt” lautete dagegen das Motto einer Demonstration, die am Samstag erstmals in Berlin stattfand. Zu dem „Flashmob” (Versammlungsaufruf über soziale Netzwerke) einer Initiative von nach eigener Darstellung fortschrittlichen und motivierten Landwirten kamen am Vormittag um neun Uhr rund 1000 Menschen zum Washingtonplatz beim Berliner Hauptbahnhof. Diese Initiative richtet sich gegen eine zunehmende Drangsalierung und Verunglimpfung der Landwirtschaft in Politik und Öffentlichkeit. „Bauern wirtschaften verantwortungsvoll. Schwarze Schafe, die es in jeder Berufsgruppe gibt, sind nicht der Normalfall”, lautete eine der Botschaften der Aktivisten. Sie riefen dazu auf „miteinander zu reden, statt übereinander”. Die Demo sollte bewusst ein Gegengewicht bilden zur Veranstaltung „Wir haben es satt”. Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), lobte beim Neujahrsempfang des DBV am Freitag voriger Woche in Berlin das Engagement der Initiatoren und rief zu zahlreicher Teilnahme auf.