Pflanzenbau | 18. Dezember 2014

Anbaurisiko macht der Braugerste zu schaffen

Von von Kobylinski
Die Südbadische Braugerstenschau am 10. Dezember in Kirchen-Hausen zeigte die aktuellen Tücken bei Produktion und Markt. Der Aufwuchs für heimisches Malz brachte hohe Flächenerträge. Gleichzeitig führten die Witterungseinflüsse zu erheblichen Qualitätsproblemen, insbesondere mit Fusarium.
Prämierung der südbadischen Braugersten-Sieger 2014. Von links: Ludwig Käppeler, Leiter der Braugerstenstelle Südbaden; Hubert Hopp, stellvertretender Vorsitzender der Braugerstenstelle; Werner Velz, Meißenheim, Sieger im Gebiet Oberrhein; Joachim Rösch, Vorsitzender der Braugerstenstelle Südbaden; Dieter Moser, Herdwangen, einer der drei südbadischen Gesamtsieger; Werner Schraudolf, Pfullendorf, Sieger im Gebiet Bodensee.
Nach Angaben der Braugerstengesellschaft München ging die Anbaufläche für Sommergerste in Baden-Württemberg gegenüber 2013 um weitere fünf Prozent auf 60300 ha zurück. Vor zehn Jahren waren es noch rund 100000 ha. Trotz des Flächenrückganges wurden mit 93000 t rund zwei Prozent mehr angeliefert als im Vorjahr.
Der Anbauerfolg der Landwirte aber täuscht über die eigentliche Grundproblematik in Baden-Württemberg nicht hinweg: Trotz eines attraktiven Kontraktangebots bleibt für Erzeuger und Verarbeiter ein erhebliches Qualitätsrisiko. Eine Versicherung gibt es nicht. Fast die Hälfte (46 Prozent) der Sommergerste konnte 2014 nicht als Braugerste verkauft werden. Im Vorjahr war es ähnlich, aber wegen anderer natürlicher Qualitätsmängel. Trotz des wachsenden Bedürfnisses nach Regionalität bei den Konsumenten und auch bei den Brauereien könnte es wegen der fortgesetzten Risikolage weiter zu Rückgängen bei der Anbaufläche des Brauereirohstoffes kommen.
Die diesjährige Prämierung der Braugerstenproben bot ein paar Überraschungen: Statt wie sonst gut 100 Proben konnten in diesem Jahr nur 60 Einsendungen verzeichnet werden. Davon kamen 51 in die Ausstellung. Zu den Ausschlusskriterien gehörte ein Rohproteingehalt von über zwölf Prozent ebenso wie eine Gesamtpunktezahl unter 20.
Erstmals zählten auch aufgeplatzte Körner – sie erreichten in diesem Jahr recht hohe Anteile. Gleichzeitig wurden viele Andienungen wegen ihrer starken Fusarium-Symptome gestoßen (abgelehnt). Das passierte immer dann, wenn mehr als vier rote Körner in einer 200-Gramm-Probe gefunden wurden. Dadurch schied im Bereich der Badischen Braugerstenstelle das Gebiet Hochrhein geschlossen aus.
In Kirchen-Hausen wurde anschließend die voraussichtliche weitere Entwicklung des Braugerstenanbaus thematisiert. Dr. Andreas Butz vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) erläuterte, wie die Produktion des Rohstoffes im Rahmen von Greening und FAKT einzuordnen ist. Betriebe mit mehr als 30 ha Ackerbaufläche müssen sowohl Anbaudiversifizierung betreiben als auch ökologische Vorrangflächen bereitstellen.
Unkontrollierte N-Freisetzung vermeiden
Das Geldverdienen mit Braugerste wird immer aufwendiger.
Wegen der Stickstoffempfindlichkeit von Braugerste musste die Vorfrucht schon bisher besonders sorgfältig ausgewählt werden. Mit der aktuellen agrarpolitischen Ausrichtung aber fällt die Anbauplanung für diese umweltfreundliche Getreideart deutlich schwerer:  Wer zur Bereitstellung von ökologischen Vorrangflächen (ÖVF) stickstoffbindende Pflanzen (Faktor 0,7) wie Ackerbohnen oder Erbsen haben will, kann im Anschluss daran keine Braugerste anbauen. Der Stickstoffgehalt im Boden wäre unkalkulierbar hoch. Sojabohnen wirken als Leguminosen wahrscheinlich ebenso. Eine ähnliche Problematik zeigt sich auch im Fall der Stilllegung (Faktor 1 = fünf Prozent der Ackerfläche) oder im Fall der Pufferstreifen und Flächen entlang von Waldrändern (beides Faktor 1,5). Nach dem Ablauf dieser Maßnahmen wären das Stickstoffangebot und die hohe biologische Aktivität eine schlechte Voraussetzung für die Braugerste als Folgefrucht.
Hubert Hopp, Landwirt und stellvertretender Vorsitzender der Braugerstenstelle, setzte hinzu: „Wenn man erst nach dem 15. Februar pflügen darf, kann man den Braugerstenanbau vergessen.” Wegen der gestiegenen  Gefahr von Pilzinfektionen (Fusarien) werde man aber auf die Pflugfurche kaum mehr verzichten können. 
Das genannte Problem betrifft auch den Anbau von Zwischenfrüchten. Als ÖVF-Maßnahme müssen Zwischenfrüchte (Faktor 0,3 = 16 Prozent der Ackerfläche) bis zum 15. Februar auf der Fläche belassen werden. Damit bestehen wenig Chancen auf eine folgende Frostgare. Erst recht prekär wird die Lage, wenn die Zwischenfruchtmischung Leguminosen enthält.
Im Gegensatz zu den Vorfruchtvoraussetzungen für Braugerste ist die Situation für die Folgefrucht wesentlich entspannter, weil das Feld relativ früh wieder frei wird und somit ausreichend Zeit bleibt zur Bestellung der Nachfrucht oder für den Aufwuchs der Untersaat. Im Prinzip gelten die genannten ackerbaulichen Beschränkungen auch für FAKT: Bei der wählbaren fünfgliedrigen Fruchtfolge (etwa 70 Euro/ha) muss beachtet werden, dass dort der Leguminosenanteil mindestens zehn Prozent betragen muss.
Ein Anlass zur Unruhe unter den Teilnehmern war schließlich die Vorstellung der Brachebegrünung mit ein- oder mehrjährigen Blühmischungen. Diese Maßnahme wird jährlich mit voraussichtlich 710 Euro/ha gefördert, wenn sie ohne ÖVF-Anrechnung erfolgt. Maximal sind fünf Hektar je Betrieb möglich. Dies ist jedoch wiederum nur sinnvoll, wenn danach keine Braugerste angebaut wird.
 Hubert Hopp platzte nach der Vorstellung dieser Maßnahme der Kragen: „Wenn der Anbau von Blühmischungen wirtschaftlich attraktiver ist als der von Braugerste, dann stimmt etwas nicht.”
Auch Joachim Rösch als Vorsitzender der Braugerstenstelle stellte die Frage, welchen Rang der Braugerstenanbau für Landwirte noch haben werde, wenn einerseits hohe Qualitätsvorstellungen der Brauer erfüllt sein müssten und andererseits auch die Anforderungen von Greening und FAKT zu befolgen seien. „Der Spielraum ist sehr eng”, urteilte Rösch. Außerdem bleibe dem Landwirt keine Möglichkeit mehr für spontan geänderte Entscheidungen.
In der Diskussion wurde auch an die Risiken erinnert, die im Zusammenhang stehen mit den Unsicherheiten und Kontrollproblemen in dem komplexen agrarpolitischen Regelwerk. „Wenn es zu Rückforderungen kommt, geraten wir schnell in die Existenzgefährdung – so können wir keine Kulturlandschaft erhalten und Landwirtschaft betreiben”, fasste Hopp zusammen.
Bei den turnusgemäß und im dreijährigen Rhythmus anstehenden Vorstandswahlen wurde der Vorsitzende Joachim Rösch aus Freiburg in seinem Amt einstimmig wiedergewählt, ebenso auch sein Stellvertrer Hubert Hopp aus Meßkirch.

Trotz Mykotoxinen genügend Ware
Franz Utz, Abteilungsdirektor für Getreidehandel bei der ZG Raiffeisen, sagte auf Nachfrage unserer Zeitung, dass wegen der feuchten Witterung und des Fusariumbefalls für alle süddeutschen Mälzereien eine extrem schwierige Erfassungssituation eingetreten sei. Schon ein geringer Besatz mit Mykotoxinen könne beim Öffnen der Bierflaschen die Gefahr des plötzlichen Überschäumens (Gushing) hervorrufen. Deswegen sei der Handel zu strengen Kontrollen ebenso gezwungen wie zu konsequenten Zurückweisungen, wenn pro 200-Gramm-Probe fünf rote Körner gefunden würden.
 Trotz der vielen Ausfälle werde es keine Rohstoffknappheit geben. Auch wenn man zusätzlich starke Ausfälle in Kanada und Australien verzeichne, sei das Aufkommen in Europa so hoch, dass es am Ende der Saison noch einen Braugerstenüberschuss von drei Millionen Tonnen geben werde. Davon kommen 2,9 Millionen Tonnen aus Frankreich.
Utz berichtete, dass sich große Mälzereien und Händler in Norddeutschland, Dänemark und England mit Rohstoff eingedeckt haben. Trotz der heimischen Rückschläge möchte die ZG  am Braugersten-Geschäft festhalten.
Gleichzeitig ist man davon überzeugt, dass die Erzeuger den Umgang mit Greening und FAKT erlernen werden, ebenso auch die Verwirklichung der fünfgliedrigen Fruchtfolge mit einem Sojaanteil.
Ludwig Zimmermann, Vorsitzender des Baden-Württembergischen Mälzerbundes, ergänzte, dass die Kontrakte 40 bis 50 Euro/t über dem Futtergetreide lagen und somit ein attraktives Angebot darstellten. Vielerorts aber habe die Natur die erforderlichen Qualitäten nicht zugelassen. Für die Zukunft hält es der Mälzer für denkbar, die roten Fusarium- Körner über optisch-elektronische Sortiermaschinen aussondern zu lassen.
Braugerste zeigte unterschiedliche Qualität
Links: Ludwig Käppeler von der Braugerstenstelle. Rechts: Dr. Andreas Butz vom LTZ Augustenberg.
Ludwig Käppeler, Leiter der Braugerstenstelle am Landratsamt Waldshut, berichtete, dass die zum Braugerstenwettbewerb eingereichten Proben teils erheblich von den Qualitäten des Vorjahres abwichen: 2013 waren 41 Prozent im Rohproteingehalt unter neun Prozent geblieben. 2014 erreichten fast alle Einsendungen den optimalen
Bereich zwischen 9,5 und 11 Prozent. Insgesamt kamen 25 Proben aus der Rheinebene (16 Propino; neun Sunshine), 18 aus dem Höhengebiet (elf Sunshine; fünf Quench; eine Grace; eine Propino) und 17 aus dem Bodenseeraum (15 Quench; eine Grace; eine Krona). Aus dem Gebiet Hochrhein gab es in diesem Jahr keine anerkannte Einsendung. Im Höhengebiet erreichten die Braugersten die beste Kornfüllung: 88,2 Prozent der Körner kamen in der Siebgröße über 2,8 mm. Im Raum Bodensee waren es 83,1 Prozent und in der Rheinebene 79 Prozent.
Die Sorte Sunshine wird auch 2015 in der Empfehlung bleiben, insbesondere für die wärmeren Lagen. In den Proben erreichten 87,6 Prozent der Körner dieser Sorte einen Durchmesser von über 2,8 mm. Quench lag mit 82,8 Prozent nur wenig darunter. Für 2015 wird diese Sor-
te ebenfalls empfohlen. Bei
den Propino-Proben hingegen war der Vergleichswert mit 77,4 Prozent unterdurchschnittlich. Auch wegen  ihrer Braueigenschaften wird diese Sorte von der Braugerstenstelle als auslaufend eingestuft. Geprüft und beobachtet wird die Sorte Avalon. Flankierend dazu werden auch Wintmalt und KWS Liga als Winterbraugerstensorten  empfohlen, ebenso wie die frühreifende Tepee.  
Die Braugerstenerzeuger mit den besten Bewertungen sind: Dieter Moser aus Herdwangen, Hugo Wingert aus Meißenheim und Otto Ilg aus Seitingen-Oberflacht. Gebietssieger wurden für den Bodenseeraum Werner Schraudolf, Pfullendorf; für das Höhengebiet Marin Berchtold, Tuttlingen-Nendingen, und für das Gebiet Oberrhein Werner Velz, Meißenheim.