Waldwirtschaft | 18. Mai 2017

AGDW fordert Schutz der Wälder vor Schädlingen durch Insektizide

Der Eichenprozessionsspinner und die Kiefernbuschhornblattwespe verbreiten sich im Wald rasant. Nur mit Pflanzenschutzmitteln lassen sich diese Schädlinge wirksam bekämpfen. Die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände (AGDW) hat zu diesem Thema Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden eingeladen.
Eichenprozessionspinner
„Gemeinsam mit Politik, Industrie und Verwaltung müssen wir zu pragmatischen und realitätsnahen Lösungen kommen, um unsere Wälder zu schützen und dem gesetzlichen Auftrag des Walderhalts nachkommen zu können”, sagte AGDW-Präsident Philipp zu Guttenberg. Er betonte mehrfach, dass der beste Pflanzenschutz keiner sei und Pflanzenschutz immer nur eine ultima ratio - wenn nichts mehr anderes helfe.
Verschleppungen bei Genehmigungen von Pflanzenschutzeinsätzen oder ein Zulassungsstau bei den notwendigen Mitteln durch die Behörden führen seit einigen Jahren zur Zerstörung ganzer Wälder und zur Gefährdung ganzer Forstbetriebe. Zu Guttenberg kritisierte, dass keine der sonst so kritischen und zuständigen Behörden einen Vertreter entsandt hatte: Weder das Bundesumweltministerium noch das Umweltbundesamt oder das Bundesamt für Naturschutz hatten teilgenommen. „Wir suchen den Dialog und treffen wieder einmal auf taube Ohren.”
Am Ende der Veranstaltung stellt der Präsident folgenden Forderungenkatalog.
Forderungskatalog der AGDW zu Forstschädlingen
  1. Eine bundesweite Erfassung und ein Monitoring der Schadflächen muss eingerichtet werden.
  2. Der Einsatz von biologischen und chemischen Pflanzenschutzmitteln (als reguläre Maßnahme des integrierten Pflanzenschutzes) im Wald muss mit Bodengeräten und Luftfahrzeugen möglich sein (zeitnah und effektiv).
  3. Zum Schutz und Erhalt der Wälder, gerade auch im Hinblick auf den Klimawandel, muss ein ausreichendes Angebot an Pflanzenschutzmittel (PSM) dringend sichergestellt werden. Dies betrifft nicht nur Insektizide sondern auch Rodentizide und Herbizide.
  4. Eine ausreichende Anzahl von selektiv wirkenden und effektiv wirksamen Pflanzenschutzmitteln muss mit der Applikationstechnik Luftfahrzeug für das Anwendungsgebiet Forst regulär zur Verfügung stehen. Es sollten mindestens jeweils zwei Bt-Präparate, Häutungshemmer und Pyrethroide für die Luftfahrtausbringung zugelassen werden, dazu müssen z.B. auch auslaufende Zulassungen verlängert werden.
  5. Die Schadensschwelle im Forst ist mit dem Kriterium „Waldverlust” zu hoch. Ein Insektizideinsatz kann erst ab 90 % Nadelverlust erfolgen, was Mortalitätsraten der Bäume von 50 bis100 % zur Folge hat.
  6. Die Festsetzung von Abstandsauflagen, Refugialflächen, z.B. Anwendung auf höchstens 50 % eines Waldgebietes, über die pflanzenschutzmittelspezifischen Abstandsauflagen hinaus, ist nicht statthaft. Die Vorgabe von 50 % ist willkürlich entstanden und wurde vom Umweltbundesamt nicht sachlich oder fachlich nachvollziehbar begründet.
  7. Der Einsatz von biologischen und chemischen Pflanzenschutzmitteln in Naturschutzgebieten (NSG) richtet sich nach dem jeweiligen Schutzziel und ist in Abstimmung mit der örtlich zuständigen Naturschutzbehörde möglich. Das bisherige pauschale Verbot zur aviotechnischen Ausbringung von PSM in Naturschutzgebieten wird zurückgenommen.
  8. Eine fachliche Risiko- und Nutzungsabwägung beim Einsatz von PSM in NSG sowie die Auswirkungen auf die Waldfunktionen bei einem generellen Verbot fehlen. Entsprechende Gutachten sind vorzunehmen.
  9. Eine finanzielle Entschädigung bei Schäden, i.V. mit § 18 PflSchG (z.B. Abstandsauflagen, Festlegung von Ausschlussflächen (z.B. Schutz einer FFH-Art), fehlende geeignete Mittel oder Applikationstechnik, fehlende zeitnahe Zulassung) wird zugesichert. Die rechtliche Klärung der Entschädigungsfrage und der Zuständigkeit / Verantwortlichkeit wird unverzüglich durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) durchgeführt. Die Entschädigung muss, neben dem entstandenen Vermögensschaden, die Kosten der Wiederaufforstung und der Kulturpflege einschließen.
  10. Die finanzielle Unterstützung und Ausweitung von Forstbetrieben im Rahmen des Modellvorhabens „Demonstrationsbetriebe integrierter Pflanzenschutz” durch das BMEL ist sicherzustellen.
  11. Die Forschung zu effektiven Pflanzenschutzmitteln, Mittelprüfung und Lückenindikation im Anwendungsgebiet Forst muss intensiviert werden, dazu sind Forschungsprogramme zu initiieren.
  12. Pflanzenschutz im Wald und damit der Schutz des Waldes mit seinen Funktionen stehen im übergeordneten öffentlichen Interesse. Ein staatlich finanzierter Fonds für die geringfügige Verwendung im Bereich des Pflanzenschutzes im Wald wird eingerichtet, um ausreichend wirksame Pflanzenschutzmittel auch für die Luftfahrzeugausbringung zur Verfügung zu stellen und den Bereich Forschung, Entwicklung der Produkte sowie die Entschädigungen zu unterstützen bzw. abzudecken.
  13. Zulassungsverfahren sind zu vereinfachen. Steigende, nicht erfüllbare Anforderungen innerhalb des Zulassungsverfahrens führen u.a. zu nicht tragbaren Kostenexplosionen. Für die Industrie wird es immer schwieriger Zulassungen zu beantragen, zu verlängern sowie Managementpläne für neue Produkte in die Zukunft aufzustellen. Bürokratieabbau beim Zulassungsverfahren ist erforderlich. „Zulassungsstau” bedeutet Verlust der Planbarkeit für die Industrie und Anwender, der Zugang zu Innovationen wird behindert.
  14. Bei den Genehmigungsverfahren/Zulassungsverfahren von Pflanzenschutzmitteln und Applikationstechnik, sind die Landesforstverwaltungen und Forstlichen Versuchsanstalten einzubeziehen. Die dem Waldschutz dienende Handlungsempfehlung der Forstlichen Versuchsanstalten dient den gesetzlichen Grundlagen als wissenschaftlich fundierte praxistaugliche Ergänzung und ist in das Genehmigungsverfahren / Zulassungsverfahren als das wesentliche Entscheidungskriterium zu integrieren.
  15. Einrichtung eines Fach-Beirates „Pflanzenschutz im Wald” mit Besetzung durch Forstexperten - zur Unterstützung des BVL bei der Zulassung von PSM/Applikationstechnik. Vor jeder Zulassungsentscheidung ist dieser anzuhören.
  16. Der Sachverständigenausschuss (SVA) beim BVL ist wieder einzurichten. Auch hier sind Forstfachleute in den Prozess der Zulassung einzubinden. Der frühere Sachverständigenausschuss für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln ist nach Auslaufen der letzten Amtszeit Ende 2012 nicht mehr neu berufen worden.
  17. Das Pflanzenschutzgesetz ist an den rechtlichen Rahmen der EU Verordnung anzugleichen (1:1 Umsetzung). Streichen der Auflagen etc.
  18. Julius-Kühn-Institut: hier muss mehr Forstsachverstand eingestellt werden.